EDINBURGH – Eine Stadt so charmant wie die Schotten selbst!

Man hat immer Vorstellungen und Erwartungen, wenn man an einen unbekannten Ort kommt – ob aus Erzählungen, Dokumentationen, Filmen, Reiseführern oder der eigenen Phantasie heraus. So hatte ich auch eine Vorstellung von Edinburgh. Und ich muss sagen: Völlig zu Recht war ich neugierig und wollte die schottische Hauptstadt unbedingt kennenlernen. Was für eine bezaubernde Stadt! Und was für eine wunderbare Zeit mit dir, Mama. Vielen Dank!

Über AirBnb hatte ich uns ein Zimmer zwischen Alt- und Neustadt gebucht, in der Fußgängerzone der Castle Street. Wenn wir morgens aus der Haustür gegangen sind, wurden wir als Erstes von dem geschichtsträchtigen Burgschloss begrüßt, das auf einem Basaltkegel eines inaktiven Vulkans ruht. Geschichtsträchtig zum einen, da diese Felsformation vor über 300 Millionen Jahren entstanden ist und zum anderen, da archäologische Funde beweisen, dass der Burgfelsen bereits im Mittelalter bewohnt war – waghalsige Archäologen sprechen sogar vom 7. Jahrhundert. Nachdem der Vulkan jahrhundertelang vor Lava nur so strotzte, wurde der Kegel nach dem Erkalten mit Sedimentgestein bedeckt. Und nun kommt die Eiszeit mit ihrer Gletscheraktivität ins Spiel, die die Geologie der Region nachhaltig geprägt hat. Es ist spannend Zeuge von dieser geologischen Gegebenheit zu werden, die übrigens nirgends sonst in Europa zu sehen ist. Wenn man also die Royal Mile, Hauptstraße der Altstadt, vom Schloss beginnend gen Osten läuft, geht man kontinuierlich bergab, spaziert sozusagen auf dem abfallenden Bergrücken eines Felsens, der von aus Westen fließenden Gletschermassen geschliffen wurde. Am unteren Ende erreicht man den Holyrood Park, ein ehemaliges königliches Jagdgebiet, in der sich unter anderem die offizielle Residenz Ihrer Majestät der Königin in Schottland befindet. Der Park lockt Wanderliebende auf den Arthur´s Seat hinauf, den zweiten inaktiven Vulkan und mit knapp 250 m höchster Punkt Edinburghs. Für Streber: „Craig und Tail“ nennt sich das Phänomen – eine einzigartige geologische Formation: Steile Felsenklippen (Craig) an drei Seiten und einem nach Osten auslaufenden Bergrücken (Tail) auf der vierten Seite. Genug von der Geologie. :-) Denn Edinburgh hat weit mehr zu bieten als das.

 

Die 500.000 Einwohner-Stadt lebt von der Freundlichkeit ihrer Einwohner. Da können wir Deutschen uns mal wieder eine nicht allzu kleine Scheibe abschneiden. Aufgeschlossenheit, Interesse, Hilfsbereitschaft, Ausgeglichenheit und Humor sind uns immer wieder begegnet. Besonders die fröhlich-ausgeglichene Art der Schotten macht einen Aufenthalt hier zu einem angenehmen Erlebnis. Denn egal, ob man einen Passanten um Hilfe bittet, den Busfahrer nach dem Weg fragt, dem Kellner eine Frage über die Architektur des Gebäudes stellt oder einen Singer Songwriter nach einem Lied fragt, das er nicht kennt, daraufhin googelt und im nächsten Moment für dich performt. In Hamburg hätte man mindestens drei schüttelnde Köpfe, vier „Tsss“ und fünf genervte Blicke im Nacken gehabt, wenn man den Busfahrer aufhält. Und was macht ein Busfahrer in Edinburgh? Er denkt intensiv nach, nennt uns die Station, an der wir aus dem Bus aussteigen sollen und kommt an der nächsten Station zu uns nach oben (Doppeldeckerbusse – Mein Favorit! :-)) und korrigiert sich, indem er uns eine andere Station an die Hand gibt, die noch besser für unseren Zielpunkt sei. Wow. Und was machen die Fahrgäste? Sie lächeln. Vielleicht müssen sie dafür innerlich durchatmen, vielleicht sind sie aber auch einfach tiefenentspannt und verspüren nicht den innerlichen Zeitdruck, von dem viele Großstädter hierzulande getrieben werden. Das ist uns immer wieder positiv aufgefallen und hat die Reise daher auch menschlich „bereichert“, wenn man das so sagen kann.

Ich könnte viele Menschen nennen, die mir von dem Wochenende im Kopf geblieben sind – es seien hier nur die sympathische Führerin Brit der Untergrund-Tour erwähnt, die sich auch nach Tourende noch detailliert unseren Fragen gewidmet hat, die herzliche Kellnerin Maria in einem Café in Leith, die fröhlich von ihrem Studentenleben in Edinburgh geplaudert hat, die fröhliche Dame, der wir auf einer Fahrstuhlfahrt begegnet sind, auf der Mama und mich ein spontaner Lach-Flash heimgesucht hat, sie sich jedoch anstelle von gestört zu fühlen herzlich mit den Worten „It´s so wonderful to see people that happy“ mit uns gefreut hat und die ehrenamtlichen Mitarbeiter im Georgian House, die fast mit zu viel Liebe (Geht das?) bei der Sache waren und uns wahrscheinlich noch nach Feierabend über die Besonderheit des ältesten Hauses von New Town berichtet hätten, wenn wir uns nicht irgendwann dezent bedankt und verabschiedet hätten.

Edinburgh ist praktisch in zwei geteilt: Zur einen Seite erstreckt sich die New Town aus dem 18. Jahrhundert, in der diverse georgianische Herrschaftshäuser thronen und grüne Parkanlagen Farbkleckse in die typisch schottischen beige-gräulichen Häuserfassaden mit ihren markanten Schornsteinen auf dem Dach bringen. In einem rechtwinklig angelegten Straßennetz reihen sich Monumente und Denkmäler an neugotische Gebäude, wie die Kathedrale St. Mary´s.

 

Zur anderen Seite erhebt sich die Old Town aus dem 15. Jahrhundert, dessen höchster Punkt das Burgschloss darstellt und einen gigantischen Skyline-Blick offenbart. Enge, steile Gassen und historische Pubs verlaufen zwischen Kirchen, Museen, neoklassischen Gebäuden, Marktplätzen und einer Menge Touristen.

Denn ja, man kann es nicht leugnen: An Touristen mangelt es der Hauptstadt nicht.

Jedoch tummeln sich diese recht zentriert in der Altstadt, meist der bekannten Royal Mile, herum. Entsprechend kann man ihnen leicht und flink entkommen. Denn wie ihr wisst, sind die Menschenmassen nicht so meins…:-)

Die Royal Mile der Altstadt hat tatsächlich fast die Länge einer Meile (1,8 km) und verbindet das Burgschloss mit dem neuen schottischen Parlament, das seit 1999 in Edinburgh zu Hause ist.  Woher der Name Edinburgh stammt, ist nicht eindeutig bewiesen. Jedoch ist der Beiname „Athen des Norden“ leicht erklärbar – Die neoklassische Architektur, die an vielen Ecken der Stadt sichtbar ist, holt griechisches Flair ins Land, zumindest auf der architektonischen Ebene.

 

Die Existenz des Burgschlosses reicht wie eingangs erwähnt bis ins 7.Jahrhundert zurück. Doch erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurde es unter König Malcolm III Canmore und seiner Frau Margaret zu einer königlichen Residenz transformiert. Die Kapelle, die Teil der Burganlage ist, wurde Margaret gewidmet und ist das älteste Gebäude Schottlands (siehe Fotos). Wilde Kämpfe wurden um die Wehrmauern abgetragen, doch erst 1313 gelang es Robert the Bruce und seinen schottischen Anhängern, die steilen Burgfelsen erfolgreich zu erklimmen und das Areal der Engländer einzunehmen. Mit diesem Ereignis und dem endgültigen Sieg von Bruce über die Engländer im Folgejahr war die schottische Unabhängigkeit langfristig gesichert.

Man kann auf dem riesigen Burgareal Räume der königlichen Appartements besichtigen und sich vorstellen, wie im Schlafzimmer James VI geboren wurde, der später nach dem Tod der englischen Königin Elizabeth I als James I die englische und schottische Krone vereinigte und den Grundstein für das heutige Vereinigte Königreich legte. Mama und ich mussten erneut feststellen, dass unser Wissen über Königshäuser und Königsreiche wie zum Beispiel dem Königreich Hannover, das für die Geschichte Großbritanniens essentiell war, recht beschränkt ist. Aber die Namen hören sich so oft identisch an und wer merkt sich schon, ob James VI, Charles III oder David I mit Margaret IV, Charlotte V oder doch mit Maria III ein Tächtelmächtel hatte? Warum heißt da nicht mal einer Basti? Das würde das ganze etwas erhellen. :-)

Das Burgschloss war jedoch weit mehr als nur königliche Residenz. Das Scottish National War Monument erinnert seit 1927 an die 150.000 gefallenen schottischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Das War Museum  zeigt Original-Gefängniszellen von gefangenen Seeleuten. Dank detaillierten Essensplätzen, Schlafgemächern aus Hängematten bis hin zu nachgezeichneten Fluchtversuchen kann man sich hier bildlich in das damalige Leben in Gefangenschaft hineinversetzen.

Das wohl größte Highlight für viele Besucher des Burgschlosses ist der Crown Room. Hier werden die Kronjuwelen und Insignien royaler Macht, unter anderem ein Zepter, die Krone selbst und der sogenannte „Stone of Destiny“ oder auch Krönungsstein, aufbewahrt. Wie im schlechten Film drängeln sich die touristischen Menschenmassen durch den engen Raum, um sich diese heiligen Gegenstände anzusehen. Ich muss sagen, dass sich meine Faszination in Grenzen gehalten hat, vielleicht auch ein Stück weit der unangenehmen Menschenmasse in dem engen Raum geschuldet. Jedenfalls haben wir das Burgschloss nach einer dreistündigen Besichtigung, auf der wir immer wieder die Panorama-Blicke in alle Richtungen genossen haben, verlassen und haben uns in unserem gemütlichen Schlendertempo von den Massen wegbewegt.

Unsere Erkundungstouren waren sehr angenehm, da Mama und ich ähnliche Vorstellungen von einer Stadtbesichtigung haben, uns beide intensiv einlesen, immer wissbegierig dazu lernen und so viel wie möglich sehen wollen, aber dabei ein entspanntes Tempo statt „Abarbeiten“ an den Tag legen. Wir haben uns so wunderbar verstanden. Das tat mal wieder richtig gut, diese intensive Mama-Tochter-Zeit. What´s next, Mami?

 

Halt, noch bin ich in Edinburgh… :-)

Noch ein paar Worte zum Baustil: Man könnte meinen, die einheitlichen beige-gräulichen Häuserfassaden würden trist wirken. Doch in meinen Augen strahlt die Stadt dadurch vor Eleganz. Und in vielen Straßen sind die Haustüren oder vorderen Fassaden mit knalligen Farben angestrichen. Ein Kontrast, der der Eleganz etwas Freches hinzufügt. Durch diese Straßen, z.B. die South Bridge, hätten wir ewig schlendern können.

 

Was uns ebenfalls sehr gut gefallen hat, war die Möglichkeiten an Naturerlebnissen in Stadtnähe. Nicht nur der Arthur´s Seat lädt zum Wandern ein, sondern auch der Calton Hill bietet ein grünes Entkommen fernab jeglichen Verkehrs und gleichzeitig herrliche Blicke über die Stadt und den Meeresarm Firth of Forth. Auf dem Water of Leith Walkway, einem 4 km langen Wanderweg am Fluss, erfreut sich das Näschen an reiner Luft. Immer wieder kann man den Weg verlassen und Stadteile wie Dean Village und Stockbridge erkunden. Letzteres hat sich in den letzten Jahren als Szeneviertel etabliert. Auch wenn Mama und ich nicht die Nächte durchgefeiert haben, können wir sagen, dass das kultig-bunte Viertel einen auch tagsüber charmant willkommen heißt.

 

Besonders beeindruckend fanden wir die Untergrundwelt von Edinburgh. Auf einer Führung durch das Netzwerk aus Kellern, Gewölben und Tunneln haben wir gelernt, was es mit dieser Welt unter der Stadt auf sich hatte. Dabei haben wir keine der vielzähligen Geister-Touren gemacht, die ein absoluter Hype in Edinburgh zu sein scheinen –  übersinnliche Ereignisse seien hier auch heutzutage keine Seltenheit! Wir haben uns der historischen Tour angeschlossen, die die Konstruktion der Gewölbe und den Sinn dahinter erläutert: Im 18. Jahrhundert wurde die South Bridge, eine Brücke, angelegt, um die Südseite der Stadt mit der Royal Mile zu verbinden. Das interessante ist, dass man diese Brücke heute im Stadtbild nicht mehr erkennen kann, da sie von allen Seiten umbaut wurde. Die Brücke wird von 19 Brückenbogen gestützt, die allesamt verborgen unter der Erde liegen und ursprünglich als Unterkünfte für Handwerksbetriebe dienten. Später waren es die Armen, die sich hier ein zu Hause eingerichtet haben und auch die Drogenszene hat sich mehr und mehr breit gemacht.

Heute sind die sogenannten Vaults nur noch mit einer Tour begehbar.

Dort unten ist es feucht, kalt und dunkel und die Beleuchtung mit echten Kerzen vermittelt dem Ganzen ein mystisches Gefühl. Da wollten wir uns lieber keine Geister-Geschichten erzählen lassen. Denn die Atmosphäre lädt dazu ein, es in allen Ecken spuken zu hören und sehen. J

 

Dass sich die Stadt immer weiter entwickelt, haben wir deutlich in Leith gesehen. Das „moderne“ Aushängeschild, wo auch das neue Parlament angesiedelt ist, hat mit dem Rest von Edinburgh wenig gemeinsam. Ein Spaziergang am Hafen entlang ist nett, aber die modernen Shopping Center und die hässlich-modernen Bauten, die sie hier errichtet haben, laden kaum zum Verweilen ein.

Lediglich die königliche Motoryacht Royal Britannia, die hier am Hafen zu Hause ist, ist interessant zu besichtigen. Wir haben sie von außen begutachtet und festgestellt, dass wir sie königlicher erwartet hätten. Aber mit Sicherheit ist die Inneneinrichtung ganz nach Queen Elizabeth II eingerichtet, die das Schiff 1953 getauft hat.

Die Royal Britannia hat die Queen und weitere Mitglieder der Königsfamilie bis zu ihrer Außerdienststellung 1997 zu knapp 700 Besuchen im Ausland geschippert.

Und was gibt die kleine Schwester von Glasglow kulinarisch her?

Um es vorweg zu nehmen: Über Fish ´n´ Chips sind die Schotten lange hinweg.

Fangen wir doch mal mit dem Nationalgericht an: Haggis. Am ehesten vergleichbar mit unserer Frikadelle, nur in einer zarteren, dünneren Variante und sehr kräftig gewürzt. Doch der wahrscheinlich wichtigste Unterschied besteht im Fleisch. Haggis wird aus Schafsmagen hergestellt. Mit Zwiebeln und Hafermehl kombiniert ist das Ganze (ich hätte auch nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde) unwahrscheinlich schmackhaft. :-)

Zum Frühstück wird ähnlich wie bei den Nachbarn viel Porridge (Hafer- und Gerstebrei) gegessen, verfeinert mit Milch, Honig oder Zucker.

Zum Abendessen wird gerne das heimische Lamm oder Angusrind serviert – der Kreativität sind bei der Zubereitung keine Grenzen gesetzt. Auch Käse ist ein beliebtes lokales Produkt, das gerne mit sogenannten oatcakes, trockenen Hafermehlbiskuits, gegessen wird.

Grundsätzlich muss man sagen, dass gerade in den großen schottischen Städten wie Edinburgh fast jede nationale Küche vertreten ist. Neben Indern, Chinesen und Italienern findet man türkische, deutsche und französische Küche. Somit gibt es die ein oder andere Alternative für diejenigen, die Haggis nicht über den Weg trauen…

Getränketechnisch kann man mit einem guten John Smith´s oder einem deftigen Ale nichts falsch machen.

Und wenn ihr mich fragt, wo der Whisky in Edinburgh bleibt, muss ich euch enttäuschen. Vor einem touristischen Whisky-Tasting (wahrscheinlich ein Grund für die vielen Junggesellen-Abschiede, die hier stattfinden), haben wir uns mit Überzeugung gesträubt. Aber meinem lieben Freund Fabi, dem ich einen exklusiven Whisky mitbringen durfte, kann mit Sicherheit über die Qualität urteilen. :-)

 

Edinburgh hat mich neugierig gemacht. Neugierig, mehr von Schottland zu erkunden. Ich komme wieder, so viel steht fest, beim nächsten Mal ist vielleicht das schottische Hochland dran. Interessenten? :-)

 

Nun freue ich mich aber erstmal auf ein paar tolle Wanderreisen im Lake District und in Cornwall, England. Ihr hört von mir. Seid euch sicher. :-)

 

Und wie immer noch ein paar Eindrücke in Bildern:

https://photos.google.com/album/AF1QipP3Phv49rAsuGHxjoG1YTXQdSKbt4bDfvtfjZT7

 

Danke für euer Interesse.

 

Sonnige Grüße von eurer Lotti