Ein westkykladischer Inseltraum

Wir können uns nach wie vor schwer dazu durchringen, in Deutschland zu bleiben. Mir ist bewusst, dass die Meinungen sehr weit auseinandergehen, wie sich die Gesellschaft in der aktuellen Zeit u.a. hinsichtlich Reisen zu verhalten habe. Wir haben die Entscheidung getroffen, uns in den Flieger zu setzen und Corona zumindest für ein paar Tage komplett auszublenden...

Wie wir alle wissen, sind die Länder, in die man aktuell reisen „darf“ überschaubar geworden. Insofern fiel uns die Entscheidung nicht schwer, Griechenland als Urlaubsziel auszuwählen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich bis vor vier Wochen nicht sicher war, wo die Kykladen genau liegen und welche Inseln zu dieser Gruppe gehören. Vier Wochen danach sind wir nun schlauer und haben zwei der vielzähligen Inseln genauer unter die Lupe genommen. Auf die Frage, wie viele Inseln genau zu den Kykladen zählen, gibt es keine einschlägige Antwort: Von 12 über 15 bis 22 hört man alles. Nach dem Lesen von Reiseberichten und ein wenig Recherche nach Unterkünften am Strand, haben wir uns für die westkykladischen Inseln Sifnos und Milos entschieden.

 

Im August waren wir auf Aktivurlaub in Slowenien. Nun war es, insbesondere laut Dino, an der Zeit, mal so richtig abzuhängen. So viel entspannt habe ich in den letzten fünf Jahren nicht. Haltet euch fest: Tagelang habe ich mich ausschließlich vom Bett ins Meer auf die Liege, in die Dusche, ins Restaurant und wieder ins Bett bewegt. Was war das herrlich! Zu lesen, während das Meer vor uns sanft aber kontinuierlich rauscht, einen Podcast zu hören, während die Sonne uns mit ihren durchschnittlichen 23° Grad bis ins Innere wärmt, in die Wellen zu springen, um uns abzukühlen, die Füße in den weißen Sand zu graben, am Strand zu spazieren ohne eine Menschenseele zu treffen, mit den streunenden Katzenbabies auf der Liege zu albern, Rosé zu trinken während wir gemeinsam träumen, zu Genießen, zu Sein, nur in dem jetzigen Moment. So romantisch wie es klingt, war es tatsächlich ☺ Ich bin sehr glücklich, dass ich ein wenig zu meinem Entspannungsglück „gezwungen“ worden bin und positiv überrascht, wie gut mir das getan hat.

 

Athen

 

In Athen haben wir einen Zwischenstopp eingelegt, unter anderem um Dinos Kumpel Goulis zu besuchen, den er von seinem MBA aus Milan kennt. Goulis hat uns neben den Klassikern wie Akropolis auch niedliche versteckte Gassen Athens gezeigt. Besonders die hinteren Ecken des Stadteils Plakas haben uns angesprochen. Die touristischen Ecken sind voll von Geschäften, Märkten und Händlern, die Plazas gesäumt von Jugendlichen, die ihre Treffen aufgrund der Sperrstunden von Bars und Clubs auf die öffentlichen Plätze verlagert haben. Davon haben wir lieber Abstand genommen. Es war schön, Dinos langjährigen Kumpel und ehemaligen Mitbewohner kennenzulernen und zu sehen, wie nahe die Beiden sich sind, auch wenn sie sich selten sehen. Aber nun zu den Inseln…

 

Sifnos (2.200 permanente Einwohner, 75 Quadratkilometer)

 

Nachdem wir in Athen gelandet und dort eine Nacht verbracht haben, sind wir mit der Fähre von Athens Hafen Piräus nach Sifnos gefahren. Nach zweieinhalb Stunden Fährfahrt mit gefühlten 180km/h auf einem tosenden Meer sind wir weiß und mulmig vom Schiff geschaukelt. Von einem lokalen Taxi haben wir uns auf die andere Seite der Insel zu unserer Unterkunft fahren lassen. Es hat nicht lange gedauert bis sich die Übelkeit gelegt hatte. Wie soll das auch dauern, wenn man aus seiner Terrasse steht uns sich vor einem das von der Sonne schillernde Meer eröffnet. Elf Schritte von der Terrasse durch den Sand bis ins Meer, was haben wir für ein Glück?

 

Die gastfreundliche, nette Besitzerin Evangelina hat uns in ihrem gebrochenen Englisch kurz herumgeführt und sich dann mit einem freundlichen „See you“ verabschiedet. Die Unterkunft in der Bucht Platis Gialos war wirklich ein Glücksgriff. Wir hatten in der Bucht zwei Minimärkte (und damit meinen wir mini ☺) und zwei geöffnete Restaurants. Und das Schönste: Mehr Katzen als Menschen, kaum Masken und einfach das Gefühl, untergetaucht zu sein, im positiven Sinne!

Ab und zu war ich Joggen (also ja, stimmt, nicht nur „faul“ ☺) und bin auf die umliegenden Berge gelaufen. Zwischen Kakteen und Geckos, Olivenbäumen und Schafen an den Hängen entlang.

 

An einem Tag haben wir uns einen Roller gemietet und sind in das verlassene Dorf Kastro mit 60 Einwohnern gefahren, an einem Steilhang oberhalb des Meers gelegen und in die Inselhauptstadt „Appolonia“. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass Appolonia ein Hauptstadtgefühl innewohnt, nicht mal ein Insel-Hauptstadtgefühl. Kaum ein Mensch ist in den schmalen, mit den für die Kykladen typischen grau-weißen Steinen bepflasterten Gassen unterwegs und wenn man einem Einheimischen begegnet, dann erwärmt einen der freundliche Gruß „Yassas“.

 

Dino hat es so schön auf den Punkt gebracht: Alles wirkt an der Oberfläche gepflegt und ist doch ein bisschen kaputt. Die Oleanderblumen in kräftigem Pink hangeln sich vor den weiß-gestrichenen Fassaden der leicht schief gebauten rechteckigen Häuser entlang, die türkis-blauen Fensterläden weit geöffnet und die Stromkabelverbindungen quer über die Gehwege verlaufend. An Straßenecken stecken verrostete Trucks, die von Katzen als Zuhause betrachtet werden. Die Minimärkte verkaufen ohne System vereinzelt eine Müslipackung neben Feta und Sardinen aus der Dose.

 

Die Farbkombination aus Weiß und Blau und Pink macht einfach gute Laune. Auch die weißen Kirchen mit ihren blauen Kuppeln sieht man überall in der Ferne erstrahlen. Hinzu kommt die Insel-Mentalität, das entspannte Dasein der Einheimischen, das Vertrauen einander („Was soll auf einer Insel, auf der jeder jeden kennt, schon geklaut werden? Da kann ich die Tür doch gleich offen lassen“). All das macht das gewisse Etwas und diesen unvergleichlichen Charme aus.

 

Milos (5.000 permanente Einwohner, 160 Quadratkilometer)

 

Fast doppelt so groß wie Sifnos und doppelt so stark bevölkert, ist Milos landschaftlich zum Teil ähnlich, zum Teil ganz anders als Sifnos. Die trockenen, von Kakteen gesäumten Hügel und Hänge findet man auch hier. Der größte Unterschied liegt in der Geologie: Milos ist eine vollständig vulkanisch geprägte Insel. Die daraus resultierenden Felslandschaften in weißen, orangen bis roten Erdtönen sind ein Geschenk für die Augen. Die fortbestehende magmatische Aktivität im Untergrund wird sowohl von Privatpersonen als auch von Restaurants als „Ofen“ genutzt, um Fisch oder Auberginen auf eine besonders leckere Art zuzubereiten.

 

Eine weitere Besonderheit von Milos sind die sogenannten „Syrmata“, kleine Fischerhäuser direkt am Wasser gebaut, deren meist bunt bemalten Garagen im Winter als Unterstellort für Fischerboote dient. Wir haben in so einem „Syrmata“ gewohnt, in Mandrakia. Sehr sehr niedlich, wie ihr auch den Fotos entnehmen könnt. Auf Milos haben wir an unterschiedlichen Ecken der Insel an Sandstränden entspannt und gebadet, uns weitere „Syrmatas“ angeschaut und sind die tolle Felslandschaft „Sarakiniko“ entlanggelaufen, die etwas von einer kalkweißen Mondlandschaft hat (ohne jemals auf dem Mond gewesen zu sein…). Eine kleine Lagune mit türkisklarem Wasser lädt zum Schwimmen ein. Es gab wenige Ort, an denen uns das Meer auf den Inseln nicht angelockt hat, so sauber und klar bei lauen 25° Grad, da kann man doch nicht „Nein“ sagen. Auch wenn uns die auf den Kykladen kursierenden sogenannten Meltemi Winde das ein oder andere Mal beim Rauskommen überrascht haben ☺

 

Wir haben es uns auch kulinarisch richtig gut gehen lassen. Gebratene und gebackene Tintenfische, Garnelen, frisch gefangener Fisch, Gyros, Insellamm, geräucherte Auberginen, Moussaka (ähnlich wie eine Lasagne, aber aus Auberginen und Kartoffeln), griechischer Salat mit viiiiel Feta und Hartkäste in weiteren Varianten. Sehr lecker, aber auch an der einen oder anderen Stelle recht fettig. An Käse, Öl und honigüberladenen süßen Nachspeisen sparen die Griechen nicht ;-)

 

Wir sind gestern von Milos aus mit einer kleinen Propellermaschine in 25 Minuten nach Athen geflogen und haben einen weiteren Abend mit Goulis verbracht bevor wir am heutigen Tag mit einem Direktflug zurück nach Hamburg geflogen sind.

 

Seit Samstag herrscht in Athen auch draußen Mundschutzpflicht. Daran wird sich mehr oder weniger streng gehalten. Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten ist in Griechenland weniger verbreitet als bei uns. Naja, steigen wir nicht in diese Thematik ein. Ich hoffe, ich habe euch für einen Moment auf die kykladischen Inseln entführen können. Vielleicht das nächste Reiseziel? Es war auf jeden Fall nicht unser letzter dorthin, so viel steht fest!